Von einer massiven Boykottwelle gegen amerikanische Produkte in Frankreich bis hin zu unverblümten Warnungen europäischer Politiker vor einem „Handelskrieg“ und Washingtons „opportunistischem Imperialismus“ steht Europa vor einer historischen Entscheidung: aus dem Schatten der USA herauszutreten und die transatlantischen Beziehungen neu zu definieren. Die Wiederwahl von Donald Trump im Januar 2025 hat die Handelskonflikte zwischen den USA und Europa verschärft und eine neue Welle von Ressentiments gegenüber den Vereinigten Staaten ausgelöst.
Sinkende öffentliche Wahrnehmung der USA in Europa
Die öffentliche Meinung in Europa hat sich seit Beginn von Trumps zweiter Amtszeit deutlich gegen die USA verschlechtert. Laut einer YouGov-Umfrage vom Januar 2025 ist der Anteil der Westeuropäer, die ein positives Bild von den USA haben, auf einen historischen Tiefststand gesunken. In Deutschland haben nur noch 32 % der Bevölkerung eine positive Meinung von den USA, verglichen mit 34 % in Frankreich und 37 % im Vereinigten Königreich. In Spanien und Italien liegen die positiven Ansichten ebenfalls unter 50 %, nämlich bei 43 % bzw. 42 %. In vielen dieser Länder ist die Zustimmung zu den USA so gering wie nie zuvor. Unterdessen ist die Zahl der Europäer, die eine negative Meinung über die USA haben, sprunghaft angestiegen: 53 % der Briten, 56 % der Deutschen, 63 % der Schweden und beeindruckende 74 % der Dänen haben jetzt eine ablehnende Haltung.
Öffentliche Gegenreaktionen und Verbraucherboykotte
Die Unzufriedenheit mit der US-Politik hat sich nicht nur in den Einstellungen, sondern auch im Verbraucherverhalten niedergeschlagen. In mehreren europäischen Ländern hat eine Basisbewegung zum Boykott amerikanischer Waren und Marken an Boden gewonnen. In Frankreich hat die als „Le Boycott“ bekannte Bewegung für Schlagzeilen gesorgt. Eine Ende März 2025 von *Libération* durchgeführte Umfrage ergab, dass 63 % der befragten Franzosen aus Protest gegen Trumps Politik amerikanische Produkte meiden. Fast ein Drittel der Befragten gab an, dass sie bereits aktiv amerikanische Waren meiden. Diese weit verbreitete Gegenreaktion hat Marken wie McDonald's, Coca-Cola, Starbucks, KFC, Tesla und sogar digitale Plattformen wie Twitter (jetzt X) betroffen. Die Bewegung hat auch auf Dänemark und Deutschland übergegriffen, wo einige Bürgerinnen und Bürger Facebook-Kampagnen gestartet haben, in denen sie andere auffordern, amerikanische Produkte zu meiden. Obwohl der Trend im Vereinigten Königreich und in Deutschland weniger ausgeprägt ist als in Frankreich, deutet die allgemeine Stimmung auf eine wachsende verbrauchergesteuerte Reaktion auf politische Unzufriedenheit hin.
Heftige Reaktionen der europäischen Regierungen
Die europäischen Regierungen haben mit Nachdruck auf Trumps Politik reagiert. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warnte Ende März 2025, dass die EU Vergeltungsmaßnahmen gegen Washingtons Handelsmaßnahmen ergreifen werde, insbesondere gegen die auf europäische Autoexporte verhängten Zölle von 25 %. Daraufhin kündigte die Europäische Kommission an, sie werde ab April wieder Vergeltungszölle auf US-Waren im Wert von 28 Milliarden Dollar erheben. In der Zwischenzeit betonte Frankreichs Minister für europäische Angelegenheiten, Benjamin Haddad, dass die EU bereit sei, die Gegenmaßnahmen zu verschärfen, wenn dies notwendig sei, einschließlich der Zölle auf digitale Dienstleistungen und geistiges Eigentum der USA. Andere führende europäische Politiker, darunter die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und Beamte aus Spanien und Italien, haben sich ebenfalls entschieden gegen die Maßnahmen ausgesprochen. Sogar das Vereinigte Königreich hat trotz seiner traditionell engen Beziehungen zu den USA seine Absicht signalisiert, sich den europäischen Gegenmaßnahmen anzuschließen, obwohl es auch Ausnahmen für seine Autoindustrie anstrebt.
Europäische Medien und Think Tanks schlagen Alarm
Die europäische Medienberichterstattung über die zweite Amtszeit Trumps war überwältigend negativ. Große Zeitungen wie Handelsblatt, The Guardian und Le Monde haben vor den wirtschaftlichen und politischen Folgen von Trumps Handelspolitik und seiner Missachtung des Multilateralismus gewarnt. Proteste gegen Trumps Wiederwahl haben in London, Berlin und Paris stattgefunden und spiegeln die weit verbreitete Unzufriedenheit wider. Think Tanks wie der European Council on Foreign Relations (ECFR) haben ebenfalls Studien veröffentlicht, die die strategischen Risiken für Europa hervorheben. Eine ECFR-Umfrage vom März 2025 ergab, dass 51 % der Europäer Trump inzwischen als „Feind Europas“ ansehen, während 63 % glauben, dass seine Präsidentschaft die Welt gefährlicher gemacht hat. Darüber hinaus sind 70 % der Befragten der Meinung, dass die EU unabhängige Sicherheitskapazitäten entwickeln sollte, anstatt sich auf die USA zu verlassen, was eine deutliche Verschiebung hin zu europäischer strategischer Autonomie signalisiert.
Diese Entwicklungen unterstreichen eine wachsende transatlantische Kluft und werfen die Frage auf: Sind Europa und die USA auf dem Weg zu einer unumkehrbaren Divergenz?
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